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"Heldengedenken" - eine Selbst-ErfahrungHelga Spranger
- im Plenum -
Aufforderung Der Titel "Heldengedenken" neigt verführerisch dazu, sich gedanklich in eine bestimmte Richtung zu bewegen. Bitte, lösen Sie sich aus dieser Schablone.- Ich möchte mit Ihnen über die verstummten Opfer der Kriege arbeiten. Ich möchte mit Ihrer Hilfe herausfinden, ob es möglich ist, diesen Helden eine bleibende Sprache ohne Worte zu verleihen .
Die meisten unter Ihnen haben sicher schon einmal die Feststellung treffen müssen, dass bewußtes Denken
mit einem höheren energetischen Aufwand verbunden ist als Fühlen. Fühlen und Empfinden begleitet unser
Handeln meistens, ohne dass wir es registrieren. Es durchdringt die einzelnen Ereignisse unseres Lebens
und verkittet die wichtigsten zu unauslöschlichen Erlebnisspuren.
Vater oder Mutter übersetzen die geweinten Klagen ihres Babys in ihre Erwachsenensprache. Sie stellen
einen realen Bezug her und können so das Unwohlsein des Kindes verändern oder beenden.
Wir wissen heute, dass auch Erwachsene nach massiven seelischen Belastungen "der Sprache nicht mehr mächtig" sind, sie werden "sprachlos" und finden erst wieder sprachlichen Zugang zu dem Ereignis, wenn auch der seelische Zugang nicht mehr blockiert ist.
Ich möchte heute und morgen mit Ihnen verborgene Gefühle und Empfindungen, die Sie mit Ihrem Erleben des
Tagungs - und Gruppenthemas verbinden, sichtbar werden lassen.
- in der Gruppe -
Annäherung
Sieben Tagungsteilnehmer zwischen 53 und 70 Jahren, 2 Männer und 5 Frauen hatten Interesse an dieser
Gruppenarbeit. Keiner konnte sich vorstellen, zum Thema Heldengedenken etwas ausdrücken zu können.
Unmut Erster "sprachloser" Ausdruck
Noch in der gleichen Sitzung, unmittelbar nach der Imagination übertrugen die Teilnehmer ihre symbolhaften
gedanklichen Empfindungsbilder ohne weitere verbale Vorstrukturierung auf weißes Tapete. Jeder konnte sich
das Tapetenformat und die Malutensilien selbst heraussuchen. Dabei fiel auf, dass fast alle mit
Fingerfarben und /oder dicken Pinseln arbeiteten.
Wie tönende - Phantasien über das Thema hörten sich die Titel der sehr ausdrucksstark gestalteten Bilder an:
" ich träume positiv Denken"
"es ist alles im Fluss, Freude und Leid" "Es ist ein Einfall oder auch Scham, Angst und Wegrennen" "bitte, bitte alles zugedeckt lasen, tausend Tode und doch lebendig" "Unmut, mangelnde Geborgenheit, - Sternschnuppe" "Angst, Einsamkeit, Scham zu Liebe im Leben" "Trauer, Tod, Angst, Schweigen; Krieg zerreist Leben lebenslang" Die erste von drei intensiven 2-stündigen Sitzungen endete bewegt. Es hatte sich bei allen Gruppenmitgliedern aus dem Verborgenen etwas ereignet Einordnen Am nächsten Tag wurden noch einmal die Bilder angeschaut. Inzwischen waren zu den Bildern bei den einzelnen Teilnehmern noch viele Einfälle, Gefühle und Assoziationen hinzugetreten. Konkrete Erinnerungen fingen an, sich zu bahnen. Dennoch verdeutlichte sich das Bestreben, im Abstrakten, Symbolischen zu verharren
Nachdem die individuell gestalteten Bilder zur Seite gelegt werden konnten, vollzog die Gruppe den Schritt
vom individuellen Gestalten zum bevorstehenden gemeinschaftlichen Zusammenfügen eigenen Erlebens.
Konkretisieren 15 Kilo Ton mussten mit Schamott "durchgearbeitet", werden, damit die plastische Arbeit nach dem Trocknen gebrannt werden könnte. -Gedankliche Mühen wurden in körperliche Arbeit überführt! In eine kurze Pause der Unschlüssigkeit fiel plötzlich irgendwo -fast gemurmelt, der Begriff "Abgrund", " wir brauchen Felsschluchten!"
Die nach außen gerichteten Rundungen fingen an, wie menschliche Rücken zu wirken...... Die Gestaltung der Einzelteile vollzog sich in konzentrierter Stille. Zuschauer
Unaufhaltsam entwickelte sich eine Körpergruppe: kleine und große Körper, deren Innenseiten und Gesichter sich zu den "Spalten und Felsen" nach innen beugten, ihre Gesichter unter und hinter anderen Leibern zu verbergen suchten und nach außen nur ihre Rücken preiszugeben schienen.
Erstaunen Berührt und irritiert durch die letzten 45 Minuten verließ die Gruppe den Arbeitsraum Sammlung Aus der immer noch erregten Stille formten sich Worte zu dem, was die eigenen Hände geformt und die Augen nun mit Abstand wahr nahmen
"Opfer"
"Tod, wo ist dein Stachel, Hölle wo ist dein Sieg" "Leiden" "Tanz auf dem Abgrund" "Geborgenheit suchen" "Leichenhaufen" "Wo seid ihr?" "Höllenschlund" "ich will euch trösten" "Vielfalt des Lebens und es Sterbens" Die Assoziationen verdichteten sich. Die Plastik erhielt den Titel: wo seid ihr? Es blieb im Raum verborgen, wer er gemeint sein könnte; auch wurde die Frage nicht beantwortet. Abschied
"mir geht es sehr gut, ich machte eine Entdeckung"
"ich dachte, es wird groß über Helden gesprochen?" "froh in der Gruppe, ich konnte sprechen, habe Zuhörer gefunden, und die "Fahrt zurück!"" "Es war ein langer Weg vom "Helden" bis "Wo seid ihr"" "Oh Gott, jetzt erwischt's mich", jetzt etwas unheimlich Schöne und Gutes, das Zustande kommen, ein Wunder" "Zuhören ist anstrengend, handeln können ist erlösend" "ich bin ganz und gar traurig"
Die sich - zuerst fremd und allein- gefühlt hatten, verließen die Gruppe in dem Gefühl, Teil geworden zu
sein und Teilnahme durch die Anderen erfahren zu haben.
Wir haben die Plastik nicht gedeutet Der Abschied voneinander geschah in stillem Einvernehmen. |
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Letzte Änderung: 16. April 2002
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